Heiner Eichner (10. September 1942 - 7. März 2024)

Die Wiener Indogermanistik trauert um eine Koryphäe.

Heiner Eichner war einer der einflussreichsten Indogermanisten seiner Generation und maßgeblicher Wegbereiter der Grundlagen unseres heutigen Handbuchwissens.

Als Schüler von Karl Hoffmann und Mitglied der epochemachenden Erlanger Schule stand Heiner Eichner seit seiner ersten Publikation 1970 im Zentrum des Paradigmenwechsels auf dem Gebiet der nominalen und verbalen Rekonstruktion. Die Erlanger Schule hat entscheidend dazu beigetragen, die Indogermanistik wieder zu einer linguistischen Disziplin à la rigueur philologique zu machen, weg von Wörter und Sachen-Forschung hin zu einer systematischen Erforschung und Rekonstruktion der Grammatik. Anders als oft behauptet, hat sich die Erlanger Schule nicht allein dem Indoiranischen verschrieben, sondern auch dem Anatolischen zu der Bedeutung verholfen, die es heute im Fach besitzt. Dem Anatolischen gewidmet waren Heiner Eichners Magisterarbeit zum hethitischen Genitiv von 1971 und seine Dissertation zur hethitischen Deklination von 1974. Schlag auf Schlag erschienen Arbeiten, die heute als Klassiker des Faches gelten: "Die Etymologie von heth. mehur" (1973), deren Erkenntnis über das Verhalten der indogermanischen Laryngale wir heute eponymisch nach ihrem Entdecker "Eichners Gesetz" nennen, und „Die Vorgeschichte des hethitischen Verbalsystems" (1975), deren Thesen im Rahmen der Ausgliederungstheorie noch heute eine Rolle spielen.

Nach der Promotion war er Assistent bei Helmut Rix an der Universität Regensburg, dessen Forschungsschwerpunkte Heiner Eichners lebenslanges Interesse am antiken Italien maßgeblich beeinflussten. Dort habilitierte er sich 1982 mit einer über 600 Seiten umfassenden Arbeit über die Erforschung der indogermanischen Numeralia. Es folgten einige Jahre Lehrtätigkeit an der Universität Basel, bis er 1989 als Nachfolger des nicht minder berühmten Manfred Mayrhofer auf den Lehrstuhl für Allgemeine und Indogermanische Sprachwissenschaft an die Universität Wien berufen wurde.

Als Nachfolger Mayrhofers in rebus Iranicis an der ÖAW leitete Heiner Eichner von 1995 bis 2002 die Kommission für Iranistik und ebnete mit seinem genuinen Interesse für neuiranische Sprachen den Weg für die Gründung des heute international hoch angesehenen Instituts für Iranistik. Der Akademie war er auch als korrespondierendes Mitglied verbunden.

Als Hochschullehrer lehrte und betreute Heiner Eichner das gesamte Spektrum des Faches der traditionellen sowie auch der weniger beachteten Sprachen wie Litauisch, Kurdisch und Zazaki. Legendär waren seine philologischen Forschungsseminare, etwa zu den kleineren anatolischen Sprachen, aus denen nicht selten wissenschaftliche Publikationen hervorgingen. Im Zuge der Bologna-Reform hat er die enge curriculare Verknüpfung der Indogermanistik mit der allgemeinen Sprachwissenschaft mitgestaltet.

Es war sein überbordender, manchmal sogar überfordernder Enthusiasmus, sein beständiges Wohlwollen und sein unerschütterlicher Glaube an das Potenzial seiner Schülerinnen und Schüler, der ihn zu einem inspirierenden Lehrer und herausragenden Mentor machte.

Wer das Privileg hatte, Heiner Eichners Lehrveranstaltungen und Privatissima beizuwohnen, erlebte einen begeisterten und begeisternden Forscher und Lehrer, der es verstand, bei allen Zuhörenden enthusiastisches Interesse zu wecken und das Potenzial seiner Studierenden in großzügiger Art und Weise zu fördern. Von seinem Engagement für die sprachwissenschaftliche Forschungsgemeinschaft profitierte auch die Wiener Sprachgesellschaft, der er bis zuletzt als Ehrenmitglied angehörte, sowie die von ihr herausgegebene Zeitschrift Die Sprache, in deren Redaktionskollektiv er jahrelang führend tätig war.

Heiner Eichner hat mit über achtzig Aufsätzen zu fast allen Fragestellungen der Indogermanistik beigetragen und dabei so gut wie jeden Sprachzweig berührt, insbesondere an den hot spots der historischen Phonologie und Morphologie.

Für eine große Forschungsmonographie fehlten dem vielseitig Interessierten, der stets auf der Suche nach Neuem und auf den ersten Blick Unbekanntem war, schlichtweg die Zeit.

Bis zuletzt, als ihn eine Krankheit bereits körperlich einschränkte, widmete er sich seinen lebenslangen Lieblingsthemen wie dem Lemnischen und dem Etruskischen. Es wird ihn in seiner typisch nüchternen Art nicht überrascht haben, dass neuere genetische Untersuchungen zur vieldiskutierten Herkunft der Etrusker seine eigene Minderheitsthese über die Direktionalität der sprachlichen Zugehörigkeit des Lemnischen untermauern.

Wie es der Tradition der ihn entscheidend geprägt habenden Erlanger Schule entspricht, war eine von Heiner Eichners Stärken der stets kompromisslos genaue Blick auf die Fakten, etwa zunächst ganz unscheinbar wirkende Kleinigkeiten, die dann im Verlauf der weiteren Argumentation und in der Gesamtschau den Blick auf große Zusammenhänge freigeben.

Neben seinem immensen wissenschaftlichen Werk lebt seine Methodik als Erkenntnismodell weiter.


Am 7. März ist Heiner Eichner unerwartet an den Folgen einer Lungenentzündung verstorben.


Die Fakultät ist von seinem plötzlichen Ableben zutiefst betroffen. Unser tiefes Mitgefühl gilt seiner Familie, insbesondere seiner Tochter Heidrun und seiner Ehefrau Viktoria.

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